Unsere heutige Zahlenschrift ist für uns so selbstverständlich, dass wir uns über ihre Bedeutung kaum Gedanken machen. Erst ein Blick in die Geschichte zeigt, welche immensen Vorteile das dezimale Stellenwertsystem gegenüber anderen Zahlensystemen bietet. Ein Stellenwertsystem kannten bereits die Babylonier zu Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr.
Auf der Basis des alten sumerischen Sexagesimalsystems schrieben sie sämtliche Zahlen mit nur zwei Keilschriftzeichen, die je nach Position Einer, Zehner oder Sechziger bedeuteten. Die babylonische Zahlenschrift ermöglichte bereits eine hochentwickelte Algebra und komplizierte Rechenoperationen. Verglichen damit stellte die griechische und römische Zahlenschrift einen Rückschritt dar.
Bei den Griechen wurden sämtliche Buchstaben des Alphabets verwendet, um Einer, Zehner und Hunderter darzustellen. Die Römer hatten zwar weniger Zahlzeichen, bildeten damit die Zahlen aber ebenfalls rein durch Addition der entsprechenden Zahlwerte. Schriftliches Rechnen war auf diese Weise praktisch unmöglich. Man behalf sich mit dem Rechenbrett, auf dem man Steinchen in parallelen Kolonnen platzierte, die den dezimalen Stellenwert anzeigten. Das Prinzip des Stellenwertsystems war also bekannt, nur die entsprechende Zahlenschrift fehlte. Eine solche Zahlenschrift mit den Vorläufern unserer heutigen Ziffern 1 bis 9 hatte sich bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts n. Chr. in Indien entwickelt. Auch die Null, zuerst als Punkt, dann als Kreis geschrieben, tauchte ungefähr um diese Zeit in schriftlichen Dokumenten auf. Mit diesem Ziffernsystem liessen sich beliebig grosse Zahlen darstellen, und es konnte endlich auf einfache Weise gerechnet werden. Im 8. Jahrhundert übernahmen die Araber über die Handelswege das indische Zahlensystem und die entsprechenden Rechenverfahren. Im 10. Jahrhundert gelangte die Kenntnis davon nach Europa.
Fibonacci lieferte mit seinem Liber abaci die erste systematische Darstellung. Die italienischen Handelsstädte boten für die neue Rechenmethode einen besonders günstigen Nährboden. Doch trotz aller Vorteile setzte sich das Rechnen mit den indisch-arabischen Zahlen in der Alltagspraxis nur zögerlich durch. Arabische Zahlen galten als nicht fälschungssicher, eine Null liess sich leicht in eine 6 oder 9 verwandeln. Das im Jahre 1522 erschienene Rechenbüchlein von Jakob Köbel baut noch ganz auf den “Deutschen”, d.h. römischen Zahlen auf, da diese für Laien leichter zu lernen seien.
Abb. aus: Jean-Etienne Montucla, Histoire des mathématiques, vol. II. Paris, 1799. Signatur: 7228
Jacob Köbel, Ein neues Rechenbüchlein. Oppenheim, 1522. Signatur: Rar 2355
Quelle: http://www.library.ethz.ch/exhibit/fibonacci/fibonacci-poster-01-Zahlen.html